Real World Evidence – Bedeutung und Chancen für die Arzneimittelentwicklung?
Die Bedeutung von Real World Evidence zeigt der Blick auf Israel während der Pandemie. Sie bietet Chancen die Versorgung in allen Bereichen besser und sicherer zu machen. Aber noch sind nicht alle Voraussetzungen hinsichtlich erforderlicher Daten und deren Verknüpfung gegeben.
Real World Evidence ist Schlüssel zu besserer Versorgung
Während der Pandemie blickt die Welt auf Israel, um Erkenntnisse über die Wirkung des mRNA-Vakzins zu gewinnen. Damit manifestiert sich die Relevanz von Real World Evidence (RWE) nicht nur in Expert:innenkreisen. Für alle nachvollziehbar wirken sich gewonnene Erkenntnisse aus der groß angelegten Impfkampagne zeitnah auf Zulassung und Empfehlung durch EMA bzw. STIKO aus. Entsprechend prognostiziert die Hälfte des online befragten MSD-Gesundheitsforum-Publikums, dass in fünf Jahren rund ein Drittel der Zulassungsstudien auf Basis von RWE gemessene Endpunkte enthalten werden. Voraussetzung dafür wird es sein, mehr Daten verfügbar zu machen.
„Wir sollten jetzt die richtigen Weichen stellen, um Real World Data und daraus gewonnene Evidenz für die Arzneimittelentwicklung und -versorgung zum Wohle aller nutzen zu können.“ – Dr. Anne Sophie Geier
RWE sichert Zulassung hochpreisiger Arzneimittel
Prof. Dr. Wolfgang Greiner betont, wie wichtig das Teilen von Daten für anwendungsbezogene Zulassungsstudien sei. Gerade für die Erforschung sehr hochpreisiger Arzneimittel würde vielfach eine frühe Zulassung angestrebt trotz unreifer Evidenz.
„Die zunehmende frühe Zulassung hochpreisiger neuartiger Arzneimitteltherapien erfordert neben weiteren klinischen Studien auch mehr Informationen direkt aus der Versorgung, in Zukunft möglichst direkt aus der elektronischen Patientenakte.“ – Prof. Dr. Wolfgang Greiner
Für bessere Evidenz bei schnellen Zulassungen brauche es Daten aus dem Behandlungsalltag der Patient:innen. Im besten Fall seien Daten aus der elektronischen Patientenakte verfügbar. Denn sie führe alle Informationen über einen Menschen zusammen, der bspw. nicht nur Krebspatient:in ist.
Systematische Register für Real World Data aufbauen
Keine „Science Fiction“ sei die „Generierung versorgungsnaher Daten und deren Auswertung zum Zwecke der Nutzenbewertung von Arzneimitteln“, so Greiner. Tatsächlich gäbe es für kleinere Populationen krankheits-, produkt- und prozedurbezogene Register, aber noch kein Meta-Register, das Aufschluss über fehlende und vorhandene Register sowie Umfang und Datenqualität liefere. Möglicherweise sei aus Sicht Greiners zukünftig ein Forschungsdatenzentrum erforderlich, welches die Einbeziehung versorgungsnaher Daten für die Nutzenbewertung und Preisbildung verantwortet. Wünschenswert sei, dass vorhandene Registerdaten mit Abrechnungs-, Struktur- und Leistungsdaten und Daten aus der elektronische Patientenakte zentral verlinkt würden.
Fallstricke bei der Verlinkung von Daten überwinden
Auf der Metaebene klinge Verlinkung leichter als sie letztlich sei, merkt Dr. Ursula Marschall an. Kassendaten seien grundsätzlich geeignet der Versorgungsforschung zu dienen, da sie sektorübergreifend, bundesweit und über mehrere Jahre vorlägen. Auf dem Weg hin zu einem gemeinsamen GKV-Forschungsdatensatz gäbe es aber Fallstricke, die die Zusammenführung von Daten erschweren. Diese müssen mitdiskutiert werden, wenn man für mehr RWE sorgen wolle, so Marschall.
„In Krankenkassendaten können sektorenübergreifende Krankheitsverläufe dargestellt werden. Allerdings steckt hier der Teufel im Detail. Für Analysen braucht es interdisziplinäres Teamwork. Die Zusammenführung verschiedener Datenquellen ist momentan eine Herausforderung, die nicht so einfach gelöst werden kann.“
Dr. Ursula Marschall, BARMER | Referentin
Daten zusammenführen und für alle nutzbar machen
Die Behandlung von Patient:innen erzeugt zahlreiche Daten mit unterschiedlichen, nicht kompatiblen Formaten. Zudem verwaltet jede gesetzliche Krankenkasse ihre eigenen Daten. Abrechnungsdaten folgen der Logik der Abrechnung und bilden ohne eine Verlinkung mit medizinischen Daten die Versorgungsrealität nicht ab. Insofern sind aus Krankenkassen-Daten nur administrative Prävalenzen für Erkrankungen erkennbar, so Marschall. Erschwert sei die Nutzung der Daten zudem dadurch, dass sie nach einer Frist gelöscht bzw. für die weitere Verwendung anonymisiert werden. Ihre Kasse behelfe sich mit einer Wissenschafts-Data-Warehouse-Lösung um Versorgungsforschung zu betreiben. Jedoch könnten die Daten diese Umgebung nicht verlassen. Wie diese Daten zukünftig für mehr RWE mit anderen zusammengeführt werden, sei jetzt zu klären, sagt Marschall.
Referenten
Dr. Anne Sophie Geier
Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung | Moderation
Prof. Dr. Wolfgang Greiner
Sachverständigenrat für Gesundheit | Referent
Dr. Ursula Marschall
BARMER | Referentin
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