Lasse ich mich impfen? Warum Impfbereitschaft kontinuierlich gefördert werden sollte
04. Oktober 2021
Kleiner Piks, große Wirkung – Impfungen gehören zu den wichtigsten präventiven Maßnahmen, die der Medizin zur Verfügung stehen, um sich vor Infektionskrankheiten zu schützen. Bedauerlicherweise zeigt sich in Deutschland jedoch eine zunehmende Impfmüdigkeit. Nicht nur was neuartige Impfstoffe betrifft – wie aktuell jene gegen COVID-19 – sondern auch bei bereits über viele Jahre etablierten Vakzinen. Die neue Bundesregierung wird sich dieses Themas stärker annehmen und gezieltere kommunikative Maßnahmen setzen müssen.
Schutzimpfungen sind eine erfolgreiche und bewährte Maßnahme zur Kontrolle von schwerwiegenden Infektionskrankheiten und seit Jahrzehnten zentraler Baustein zum Erhalt der öffentlichen Gesundheit. Sie bieten großen Schutz, für verhältnismäßig wenig Aufwand. Ihr Wert für den allgemeinen gesellschaftlichen Gesundheitszustand wird aktuell sehr eindrücklich durch die Erfahrungen in der Corona-Pandemie unterstrichen. Für den Erhalt der öffentlichen Gesundheit und zur Förderung von Prävention ist es jetzt dringend notwendig, diesen Wert noch stärker in den öffentlichen Fokus zu rücken.
Es mag paradox erscheinen, aber in vielen Ländern sehen wir aktuell, trotz öffentlicher und medialer Präsenz des Themas Impfen, eine zunehmende Impfmüdigkeit unter Bürger:innen. Der Begriff Impfmüdigkeit (vaccine hesitancy) bezeichnet laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Phänomen, dass Menschen Impfungen verzögert (oder gar nicht) durchführen lassen, obwohl ausreichend Zugänge und Impfangebote vorhanden sind. Die ausschlaggebenden Gründe für Impfmüdigkeit sind individuell, komplex und kontextspezifisch. Die Auswirkungen sind jedoch weitreichend: Impfmüdigkeit droht – bei ausbleibenden Gegenmaßnahmen – den hart erarbeiteten Fortschritt, der über die letzten Jahrzehnte im Kampf gegen viele Infektionskrankheiten erreicht wurde, schrittweise zu verlieren.
Die Weltgesundheitsorganisation setzte schon 2019 ein starkes Zeichen: Impfmüdigkeit gehört zu den zehn größten Bedrohungen für die globale Gesundheit überhaupt.
Auch in Deutschland ist Impfmüdigkeit statistisch nachweisbar. Impfquoten stagnieren (bzw. sinken) hierzulande für einige Krankheiten seit Jahren. So ist, laut dem Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (vfa), unter Erwachsenen nur etwa jeder zweite gegen Tetanus oder Diphterie geschützt. Ebenfalls wenig zufriedenstellend sind die Zahlen bei Grippe-, Pneumokokken-, Gürtelrose- oder HPV-Impfungen.
Die Corona-Pandemie versetzte dem deutschen Impfwesen einen zusätzlichen Dämpfer. Laut Auswertungen des „Covid-19 Snapshot Monitoring“ (COSMO) des Robert-Koch Instituts (RKI), führte sie nachweislich zu einem Rückgang von allgemeinen Schutzimpfungen in der Bevölkerung. Viele wichtige Standard-Impfungen wurden aufgrund der Pandemie aufgeschoben oder gar abgesagt. So zeigen die Zahlen, dass beispielsweise in den ersten sechs Wochen der Pandemie nur rund die Hälfte der geplanten Routineimpfungen durchgeführt wurden.
Impfmüdigkeit stärker bekämpfen – Impfraten erhöhen
Die Zahlen verdeutlichen: Impfbereitschaft muss immer wieder aufs Neue erarbeitet und kontinuierlich gefördert werden. Bleiben Schutzimpfungen aus, führt dies zu Immunisierungslücken, die wiederum die Weiterverbreitung gefährlicher pathogener Erreger in der Gesellschaft begünstigen. Das Risiko eines Ausbruchs von Krankheiten steigt, gegen die es einen verlässlichen Impfschutz geben würde. Es ist daher wichtig, dass die Potentiale, die Schutzimpfungen für den Einzelnen und für die Gesellschaft bieten, nachhaltiger genutzt werden. Das sollte auch auf der Agenda einer neuen Bundesregierung stehen.
Dafür braucht es – unter Einbeziehung aller relevanten Akteure – ein noch stärkeres Werben für Schutzimpfungen und einer Steigerung der Risikowahrnehmung in der Bevölkerung gegenüber impfpräventablen Krankheiten. Zudem gilt es, Impfhindernisse weiter abzubauen und eine effizientere und zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit zu entwickeln. Bestehende Strukturen müssen besser genutzt werden, denn hier besteht an vielen Stellen erheblicher Optimierungsbedarf. Beispielsweise sollten nachgelagerte Behörden (wie die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) ihre gesetzlich zugewiesene Rolle im Bereich Aufklärung in der kommenden Legislatur deutlich besser ausfüllen. Es bedarf zielgerichteter öffentlichkeitswirksamer Kampagnen und Aufklärungsarbeit dieser Institutionen. Dergestalt können die Vorteile von (Standard-) Impfungen fortlaufend und niederschwellig erläutert, Falschinformationen widerlegt und Fragen beantwortet oder Bedenken zur Wirkung oder Sicherheit von bestimmten Schutzimpfungen ausgeräumt werden.
Der Wert von Wissenschaft und Forschung für den Einzelnen und für die Gesellschaft als Ganzes braucht jetzt nachhaltige Impulse. Schutzimpfungen gelten als eine der großen Erfolgsgeschichten jener medizinischen Forschung. Es ist Zeit, stärker für sie zu werben. Eine neue Bundesregierung kann hier deutliche Zeichen setzen.
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