Gesundheitspolitik

Keime kennen keine Grenzen – Wie lässt sich die Versorgung mit innovativen Antibiotika in Zukunft sicherstellen?

22. Juni 2021

Blogeintrag teilen

Facebook icon

.st0{fill:#00857C;} Twitter icon

Linkedin icon

Email icon

Mehrere Petrischalen

Kurz vor der politischen Sommerpause fand das mittlerweile zweite digitale MSD Luncheon statt. Gemeinsam mit unseren Gästen und Referentinnen diskutierten wir, wie die Forschung und Entwicklung von innovativen Antibiotika zur Eindämmung antimikrobieller Resistenzen gefördert werden kann. Denn nicht erst die kürzlich veröffentlichte gemeinsame Absichtserklärung der Finanz- und Gesundheitsminister:innen der G7-Staaten zur globalen Erforschung und Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen hat verdeutlicht, dass in diesem Bereich dringender politischer Handlungsbedarf besteht. Allein in Deutschland sterben laut Zahlen des RKI jedes Jahr rund 2.400 Menschen an den Folgen von Infektionen mit multiresistenten Erregern. Wir wollten also wissen, welcher politischen Weichenstellungen es bedarf, um eine weitere Ausbreitung von antimikrobiellen Resistenzen zu vermeiden.

Konsequent und entschlossen gegen die schleichende Pandemie

Im Rahmen des ersten Impulsbeitrags erklärte Ines Perea, Leiterin des Referats 615 One Health und Antimikrobielle Resistenzen im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dass das Thema antimikrobieller Resistenzen seit mehreren Jahren ein Schwerpunktthema der Bundesregierung sei. Die Einführung der Facharztausbildung für Infektiologie und die Stärkung der Infektionsprävention, z.B. durch die Initiative „Saubere Hände“, hätten das Thema auf eine neue Ebene gehoben und den Stellenwert des Themas für die Bundesregierung unterstrichen. Darüber hinaus hätten die Ausweitung der Meldepflichten für multiresistente Keime sowie der enge Austausch mit der Ärzteschaft bereits zu einem Verschreibungsrückgang von Antibiotika geführt. Dies sei ein erster Schritt in die richtige Richtung, dennoch müsse das gemeinschaftliche Engagement stringent ausgebaut werden. Daher sei die ambitionierte Entwicklung und konsequente Umsetzung der DART 2030 eine oberste Priorität für das BMG. Außerdem müsse die Erstattungsfähigkeit einzelner Antibiotika auf weitere Indikationen ausgeweitet werden und Antibiotic Stewardship, also der rationale und verantwortungsbewusste Umgang mit Antibiotika – sowohl stationär als auch ambulant –, systematisch gefördert werden.

Im Anschluss betonte Prof. Dr. Tanja Schneider, stellvertretende Koordinatorin Neue Antibiotika am Deutschen Zentrum für Infektionsforschung e.V. (DZIF), die Wichtigkeit von Antibiotika für die moderne Medizin. In Anlehnung an Paul Ehrlich betonte Prof. Schneider die enorme Kraft der „Wunderkugel“ und verwies darauf, dass Antibiotika die Lebenserwartung in westlichen Industrieländern über das letzte Jahrhundert um 10 Jahre gesteigert hätten. Der aktuelle Notstand in der Antibiotikaforschung könnte daher zu drastischen Einschränkungen der Therapiemaßnahmen und einer Krise in der globalen Gesundheitsversorgung führen. Der Hauptgrund für den Mangel an neuen Wirkstoffgruppen in diesem Feld ließe sich laut Prof. Schneider auf die Besonderheiten von Antibiotika zurückzuführen. Denn die Entwicklung von resistenzbrechenden Antibiotikaklassen ist deutlich komplexer als die Entwicklung anderer Therapeutika. Bis ein Antibiotikum zur Marktreife gebracht ist, sind mittlerweile bis zu 1,5 Milliarden Euro notwendig. Die Erfolgsrate beträgt dabei nur 1%. Viele forschende Pharmaunternehmen haben sich aufgrund der ökonomischen Risiken vollständig aus der Antibiotika-Forschung zurückgezogen. Neben der Stärkung der Grundlagenforschung und des wissenschaftlichen Nachwuchses sei daher eine Anpassung der Vergütungsstruktur unausweichlich.

Handeln, bevor es zu spät ist

Als ein erhebliches Risiko für die moderne Medizin schätzte auch Dr. med. Béatrice Grabein, leitende Ärztin der Stabstelle Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am LMU Klinikum, die Ausbreitung von antimikrobiellen Resistenzen ein. Eine unkontrollierte Verbreitung der Erreger würde die Erfolge in der Onkologie, der Intensivmedizin und vieler weiterer Bereiche ernsthaft gefährden. Dr. Grabein sprach sich daher dafür aus, dass das Zulassungsportfolio innovativer Antibiotika gezielt erweitert wird, um zu vermeiden, dass die Potenziale bestehender Wirkstoffe ungenutzt bleiben. In diesem Zusammenhang müsste auch der rechtliche Rahmen dafür geschaffen werden, dass Kliniken Zugriff auf Studien haben, die auf Real-World-Data basieren, und Risikopatient:innen so schneller Zugang zu innovativen Wirkstoffen erhalten. Das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) sei zwar ein Schritt in die richtige Richtung gewesen, jedoch müsse auch die Refinanzierung im Rahmen der Fallpauschalen angepasst und Fehlanreize abgebaut werden. Aktuell würde zu oft aus ökonomischen Gründen auf ältere Antibiotika zurückgegriffen. Dr. Grabein sprach sich deshalb dafür aus, dass das Vergütungssystem im Krankenhaus an die besonderen Anforderungen von selten einzusetzenden Reserveantibiotika angepasst werden muss. Denn ist der Einsatz eines innovativen Reserveantibiotikums medizinisch geboten, darf er nicht durch eine finanzielle Unterdeckung aufgrund zu niedriger Fallpauschalen erschwert oder gar verhindert werden. 
In einem Punkt waren sich alle Referentinnen einig. Multiresistente Erreger stellen bereits jetzt eine sich schleichend ausbreitende, stumme Multipandemie dar. Anders als bei COVID-19 geht es nicht um einen Virus, sondern um eine Vielzahl von Pathogenen, die eine Bedrohung für die globale medizinische Versorgung darstellen. Den Absichtserklärungen der nationalen und internationalen Politik müssen daher unbedingt handfeste Maßnahmen zur Förderung der Grundlagenforschung und Nutzung innovativer Antibiotika folgen. In diesem Zusammenhang müsse der One-Health-Ansatz konsequent verfolgt und ressortübergreifende Lösungen entwickelt werden. Denn Keime kennen keine Grenzen und können sich schnell zwischen Mensch, Tier und Umwelt verbreiten. Daher sei eine enge Zusammenarbeit der Ministerien für Gesundheit, Landwirtschaft und Forschung in diesem Bereich von zentraler Bedeutung.

Wir bei MSD werden auf jeden Fall unsere Forschung in diesem Feld fortführen und setzen dabei auf den Dialog und die Zusammenarbeit mit unseren Partner:innen in Wissenschaft, Politik und Industrie. Denn die Diskussion im Rahmen des digitalen MSD Luncheons hat gezeigt, dass die Eindämmung von antimikrobiellen Resistenzen nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten vollen Einsatz zeigen.

Ihr Kontakt

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Franziska Müller
Manager*in Gesundheitspolitik

+49 30 700 141 679

franziska.mueller@msd.de