Post Pandemie: optimale Strategien für die „endemische“ Phase
Schnelle Zulassungen, Erprobung der mRNA-Technologie, frühere Diagnostik und Fortschritt in der digitalen Medizin sind positive Effekte der Pandemie. Sie werden die Versorgung dann nachhaltig verbessern, wenn in der endemischen Phase datenbasiert und gemeinsam weitergeforscht wird.
Erkenntnisgewinn aus Pandemie für bessere Versorgung nutzen
Die Corona-Pandemie hat zu vielen persönlichen Schicksalen und langfristigen wirtschaftlichen Folgen geführt. Zugleich hat sie vieles in kurzer Zeit möglich gemacht, weil der Druck zum Handeln da war. Nun ist ein großer Bevölkerungsanteil geimpft – aber noch ist das Virus nicht besiegt. Es wird unser Leben auf Jahre begleiten. Deshalb ist zu klären, wo wir jetzt stehen und welche Herausforderungen die endemische Phase bezüglich Prävention und Versorgungsstrukturen birgt.
Hohe Wahrscheinlichkeit postpandemischer Epidemien
„Wie hat sich die Welt nach der Pandemie verändert?“, lautet für Prof. Dr. Mathias Pletz die zentrale Frage. Sie habe einerseits Risiken mit sich gebracht, stellt er fest. Die rasante Evolution des Erregers, in der neue Varianten alte schnell ablösten, habe überrascht. Auch bestehe die Gefahr schwerer postpandemischer Epidemien durch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) und die Influenza. Insbesondere weil gut zwei Jahre lang die Influenza-Saison ausgefallen sei und die Immunität der Bevölkerung nun nachlasse.
Mehr Tempo bei Zulassungen
Ein Pluspunkt sei die beschleunigte Zulassung. Was bei den Vakzinen zum Schutz vor SARS-CoV-2-Infektionen in wenigen Monaten möglich wurde, habe vor der Pandemie rund zehn Jahre gedauert. Abstriche bei der Sicherheit habe es dennoch nicht gegeben, ergänzt der Experte. Das Tempo wurde möglich, indem die Studienphasen ineinandergeschoben und die Zulassungsbehörden mit dem „Rolling-Review“ deutlich schneller gearbeitet haben.
Potentiale der mRNA-Technologie erprobt
Ein weiterer Gewinn sind laut Pletz die mRNA-Vakzine. Diese am Computer designten Impfstoffe böten zahlreiche Vorteile gegenüber anderen Impfstoffen. Sie könnten im Gegensatz zu Lebendimpfstoffen bedenkenlos bei immunsupprimierten Patient:innen eingesetzt werden. Bedeutsam sei vor allem ihre schnelle Adaptierbarkeit. Beides seien Gründe, weswegen die mRNA-Technologie weit über COVID hinaus Anwendung fände und viel Potential für die Bekämpfung von Infektions- und Krebserkrankungen habe.
Innovationsschub für die Versorgung
Als Katalysator bezeichnet Pletz die Pandemie für die Telemedizin. Videosprechstunden, die bislang kaum angeboten wurden, wurden möglich gemacht als Patient:innen Angst hatten, sich in den Arztpraxen mit Corona zu infizieren. Nun gäbe es in Baden-Württemberg sogar eine rein virtuelle Praxis mit e-Rezept. Insgesamt werde die Versorgung durch Erkenntnisse profitieren, die im Verlauf der Pandemie gewonnen wurden, resümiert Pletz. Endlich werde die hohe Krankheitslast von Virusinfektionen insbesondere hinsichtlich kardiovaskulärer Folge-Ereignisse erkannt. „Toll“, findet Pletz zudem, dass jetzt „fast jeder Laie die Bedeutung von Antigen- und PCR-Test sowie Sequenzierung in der Diagnostik“ kennt. Das mache bessere Versorgung und Prävention in der endemischen Phase möglich.
Für Innovation und globale Versorgung kooperieren
Auch wenn SARS bleibe, werde sich die Welt mit anderen Krankheiten beschäftigen müssen, ist sich Dr. med. Klaus Schlüter sicher. Infektionskrankheiten seien zurück im Fokus, meint er. Um die Versorgung der Menschen in der postpandemischen Phase zu verbessern, müssten die pharmazeutischen Unternehmen zum einen die Verteilung von Impfstoffen und Arzneimitteln in entlegene Teile der Welt sichern. Zum anderen müssten neue prophylaktische Impfstoffe und therapeutische Substanzen entwickelt werden. Gelingen könne beides durch globale Zusammenarbeit und die Nutzung digitaler Kanäle, um Expert:innen nicht-universitärer und universitärer Einrichtungen zu vernetzen.
Mehr Daten für die Forschung erzeugen und gemeinsam nutzen
Forschung werde derzeit intensiv nachgefragt und viele wichtige Erkenntnisse, etwa zu Therapien bei Sepsis, Covid-19 und weiteren Infektionskrankheiten lägen schon vor. Aber die Forschung müsse noch weiter vorangetrieben werden, so Schlüter. Dazu brauche es Daten, die gemeinsam erhoben und genutzt werden können. Insgesamt würden sich die Wege ändern, sodass Sicherheitskonzepte für beschleunigte Verfahren bei der Entwicklung neuer Präparate zu etablieren seien.
Publikumsbefragungen zu den kommenden Herausforderungen
Zudem fokussierte eine erste Publikumsbefragung die relevanten Herausforderungen der endemischen Phase von SARS-CoV-2 und benannte dabei unter anderem die Herdenimmunität, Impfkampagnen sowie die besondere Berücksichtigung von Kindern und Jugendlichen. Schließlich stellte eine zweite Befragung notwendige Entwicklungen dar, die zusätzlich neben einer hohen Impfquote erforderlich sind. Darunter die Einführung digitaler Impferinnerungssysteme oder aktive COVID-19 Therapieoptionen in der Akutphase. Die Ergebnisse der Publikumsbefragung finden Sie in den nachfolgenden Abbildungen.
Referenten
Dr. Klaus Schlüter
MSD | Moderation und Referent
Prof. Dr. Mathias Pletz
Uniklinik Jena | Referent
Die Pandemie hat aufgedeckt, wo Gesundheitsversorgung besser werden muss. Jetzt sind die Konsequenzen zu ziehen.
Seit November 2020 gibt es DIGAs. Damit ihr Mehrwert für die Versorgung steigt, müssen viele Patient:innen sie nutzen.